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Hierbleiberecht

Das versteht niemand

Offener Brief von matteo an Ministerpräsident Armin Laschet und die Medien zur geplanten Afghanistan-Abschiebung am 12.01.2021 vom Flughafen Düsseldorf.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Laschet,


zu Beginn des Neuen Jahres 2021, mitten im Lockdown mit unverändert hohen Infektions- und Todeszahlen in NRW und ganz Deutschland hören wir, dass die Bundesregierung, diesmal offenbar mit der Unterstützung Ihres Innenministers, erneut versucht, eine Abschiebung nach Afghanistan zu organisieren. Der Flug soll am 12.01.2021 von Düsseldorf gehen. Wir wissen, dass zumindest Bayern und Sachsen diesmal wieder vor allem unbescholtene und gut integrierte Menschen in Krieg und Elend abschieben möchten. Alle, ehrenamtliche Integrationshelferinnen und Helfer genauso wie Lehrerinnen und Lehrer, Kirchen und Vereine sind fassungslos, dass ihre jahrelange Begleitung derart konterkariert und bei den Abschiebungen, insbesondere aus Bayern, gegen jede Verhältnismäßigkeit verfahren wird.

Nach einer langen Unterbrechung der Abschiebungen auf Wunsch der afghanischen Regierung, ist es im Dezember von Leipzig aus wieder losgegangen, im letzten Flug traf es „nur“ Straftäter. Die afghanische Regierung, die die Krise nicht mehr im Griff hat und unter großem politischen und militärischen Problemen leidet, wurde aus Deutschland unter Druck gesetzt, der Wiederaufnahme zuzustimmen. Offenbar wurde die Zusage von Unterstützung europäischer Geberländer in Genf damit verbunden, diese Abschiebungen in das derzeit gefährlichste Land der Welt zuzulassen trotz der weltweiten Pandemie und ihrer Auswirkungen.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident , Sie haben sich seit einem Jahr einen guten Namen gemacht mit einem besonnenen, aber auch tatkräftigen Umgang mit der Krise, die unsere Gesundheit, unsere Wirtschaft und unser Zusammenleben bedroht. Gerade sind Sie dabei, aus guten Gründen mit Ihren Kolleginnen und Kollegen, eine Verlängerung der schweren Restriktionen, Reiseverbote und Kontaktsperren zu planen.

Gleichzeitig aber, mitten in der unbewältigten Krise wollen Sie zulassen, dass die treibenden Innenministern in Berlin und München mit der Unterstützung Ihrer Regierung in der kommenden Woche einen beispiellosen Abschiebemechanismus in Gang setzen, mit Transfers nach Düsseldorf quer durch Deutschland, Corona- Tests, Einsatz von medizinischem Personal und Großaufgeboten von Bundespolizei.


2021 steht unter der biblischen Losung der Barmherzigkeit. Zu Beginn des Jahres der Barmherzigkeit würden Sie so maßgeblich diese Abschiebung unterstützen, diesmal auch von gut integrierten und unbescholtene Menschen in Gefahr und Elend.

Wir alle sollen aus guten Gründen zuhause bleiben und unnötige Reisen vermeiden. Unsere Hotels und Gaststätten sind geschlossen, große Teile der Wirtschaft liegen am Boden. Der Staat kommt an den Rand seiner finanziellen Möglichkeiten. Täglich sehen wir die Appelle von Bundeskanzlerin Merkel und Ihnen, vorsichtig, behutsam, vernünftig und auch sparsam zu sein.


Ein Abschiebeflug nach Afghanistan kostet schon ohne Corona-Bedingungen weit über € 300.000. Zusätzlich gibt es enorme Kosten für Personal, Polizisten und Ärzte. Gleichzeitig kämpfen kleine Restaurants, Familienhotels und kulturelle Einrichtungen in Deutschland und NRW um Geld und Überleben.


Das geht nicht zusammen, und das versteht niemand.


Machen Sie Ihren Einfluss geltend, diese Flüge abzusagen. Sie passen nicht in die Zeit, sie passen nicht zu Ihrer Politik und Sie passen nicht zu Ihnen, der als aufrechter und glaubwürdiger Christ spricht und handelt.


Nach der Pandemie können wir kluge Konzepte entwerfen, wie man Rückkehr in wirklich sichere Länder menschlicher gestalten kann.
Herzliche Grüße, verbunden mit guten Wünschen für ein gesegnetes, erfolgreiches und barmherziges Neues Jahr.


Stephan T. Reichel